Nicht von Sehenswürdigkeiten, sondern von ihren vielen zufälligen Zusammentreffen mit Mexikanern berichtet Mariana Forberg. Denn es sind die Menschen und die alltäglichen Details, die den Charakter des Landes ausmachen. Ein sehr interessanter und persönlicher Text, der auch ein Appell ist, dem Reisen mehr Inhalt zu geben.
Sequenz von Begegnungen México septiembre - noviembre 2001
...wie war das? - Sieben Sekunden Zeit hast du für jeden Menschen
auf der Welt, willst du allen ein Teil von deinem Leben schenken - das wäre
wohl eine mezcla (Mischung) horrible, du wärst kulturell total verstört, schockiert.
Aufregend genug schon in drei Monaten Mexiko zahlreiche, verschiedenste Leben
und Welten zu streifen - wie man es vielleicht auch zu Hause oft tut - doch
in Mexiko in einer viel intensiveren Form. Ich jedenfalls, da entspannt, befreit
von alltäglichen Zwängen, kann mich einlassen auf meine Begegnungen, zehre
erstaunlich lange von deren Inhalten, die auf irgendeine Weise immer ergiebig
sind.
Am Ende blieb eine Kette von Begegnungen, mit Hilfe der ich - auch Monate
später - immer wieder meine Reise abspulen kann.
Mein persönlicher Mexiko-Film, der nicht geprägt ist von einer Reihe Sehenswürdigkeiten,
sondern von den kurzen, erfrischenden, zufälligen Zusammentreffen mit diesen
so liebenswürdigen Menschen. Ein Ausschnitt.
...
Guadalajara, Díaz de León, camión 30, die zweite Woche, auf dem Weg zur Avenida
Juárez, zu Antonio, einem Künstler, den ich einige Tage zuvor im Hospicio
Cabañas (ehemaliges Armen- und Waisenhaus, jetzt Kulturzentrum der Stadt)
getroffen habe.
Ich treffe aber Jaime im Bus, der auf mich aufmerksam wird, weil ich einem
Mann mit Kind auf dem Arm einen Sitzplatz anbiete - "das würde eine Mexikanerin
nie tun". Wir haben das gleiche Ziel, steigen zusammen aus. Filmstudent. Er
erzählt mir von seinen Zweifeln, bei einem Werbefilm für Touristen mitzuwirken,
und einem anderen Projekt, ein Zuschauerraum...? Ein Kino...? Ich bin mir
nicht sicher, ob ich alles richtig verstehe und wünschte, mein Spanisch wäre
besser. Er bietet mir an, mir den Entwurf zu zeigen, für Änderungsvorschläge.
(Wir schaffen es aber später nicht mehr, uns zu treffen.)
...Längst ist es halb neun, um acht wollte ich Antonio treffen, aber pünktlich
kommen in diesem Land wenige. Ich suche.
Da tags die Fassaden der Häuser aber völlig anders aussehen als abends, wenn
die Rolltore das innere Leben und die Farben der Straßenansicht vorenthalten,
ich zudem die Hausnummer nicht weiß, mich nur noch an eine dunkelblaue Eisentür
erinnere - die aber gar nicht blau ist, wie ich später feststelle - und die
Taco-Bude links daneben, brauche ich eine Viertelstunde bis ich vor besagter
Tür stehe und mich erst überwinde, zu klingeln, nachdem ich "sich irren" im
Wörterbuch nachgeschlagen habe: "equivocarse". "Antonio wohnt nicht mehr hier"
erfahre ich von einer öffnenden Freundin... Ich lasse drei Postkarten dort,
die ich ihm versprochen hatte - von Köln, weil er vom Dom so begeistert sprach,
und versuche vor zehn nach Hause zu kommen, weil dann die letzten Busse fahren...
José Luis,
der sehr bemüht ist, mein Spanisch zu verstehen, mir seine Projekte zu erklären,
der aus den Fahrten mit dem Auto zu den Baustellen kleine Stadtrundfahrten
macht, der mit mir in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit ein Häuschen aufmisst,
um mir dafür später eine halbe Stunde diverse besuchenswerte, reiche, arme,
bekannte Orte auf dem Stadtplan zu zeigen und um mir ein bisschen Spanisch-Nachhilfe
zu geben, - Es sind vielleicht manchmal nur die äußeren Bedingungen, die Infrastruktur,
die zu Langsamkeit führt. Die Menschen leben nicht im Stress, aber bei wesentlichen,
klaren Arbeitsinhalten sind sie nicht langsamer als anderswo und arbeiten
dezidiert, für mehr Zeit für andere Dinge. - der mich manchmal morgens nicht
wie verabredet abholt...
Wie an diesem Tag, und nachdem ich ihn auch in seinem Büro nicht antreffe,
begegne ich auf dem Weg ins Zentrum in der Moreno zwei estudiantes del salon
estética "Patricie" (Friseur-/ Kosmetikschule), die auf der Straße Modelle
suchen, damit ihnen ihre maestra (Lehrerin) einen Kurzhaarschnitt beibringen
kann. Eine Viertelstunde später sitze ich für etwa zwei Stunden auf einem
Drehhocker vor zwanzig aufmerksamen Studentinnen, die vielleicht ein bisschen
begeistert sind, mich dafür gewonnen haben zu können... So wie später die
drei Studentinnen mit denen zusammen ich ein sensorama (eine Art Mini-Seminar
zur Förderung der Wahrnehmung mit non-visuellen Sinnen in Zeiten der visuellen
Überflutung) durchführe in dieser Kleinstadt Fresnillo, im Norden Zacatecas
- der nördlichste Punkt Mexikos für mich - die begeistert sind, mich zu kennen
und mich in wenigen Minuten zwei Händen voll Freunden vorstellen...
Genaro.
Ein sehr Ruhiger. Ein Lehrer aus dem ersten Ort der Sierra Jaliscos, wie er
sagt - es könnte auch der letzte sein, der nördlichste ist es auf jeden Fall
-, der als wir uns wie per Telefon verabredet auf dem kleinen Platz vor der
Biblioteca Iberoamericana treffen, zwei Nonnen vorschickt, die mich fragen,
ob ich Mariana sei.
Ich überbringe ihm ein Video eines Bekannten. Er schenkt mir ein weiteres
Stück von diesem ständig wachsenden Guadalajara-Puzzle. Und das mit völliger,
angenehmer Ruhe und Zurückhaltung. Als wir uns trennen, ist es, als steige
ich aus einer Kapsel, in der wir uns zuvor durch die pulsierenden Straßen
bewegt haben, zurück in die Stadt.
Ernesto
in Zacatecas, der sich so sehr bemüht einen Ort zu finden, um ein Video zu
kopieren, der mir ein Zuhause bietet mit seinem vorbildlichen hostal, das
ich mehr zufällig finde... in einer wunderbaren Stadt. Sehr kolonial und farbloser
als viele andere Städte Mexikos, aber tolle Bauten und kulturell wohl eine
der anspruchsvollsten, mit acht Museen: arte contemporánea, Kunst der Huicholes,
Masken, Lithographien von Picasso und Co., Prähispanisches..., untergebracht
im ehemaligen Konvent, im Gefängnis, in Kirchen. Impresionante. Gärten, Höfe,
Ruhe - scheinbar weit weg vom übrigen Leben, dabei sind die Märkte mit ihrem
regen, völlig differenten Milieu nur ein paar Straßen weiter...
Der Elektriker,
verantwortlich für die Ausstellungs-Beleuchtung, der mich durch das Maskenmuseum
führt, auf eine sehr sensible Art. Er verschwindet immer wieder, und taucht
ein paar Ecken weiter erneut auf, damit ich meine eigenen Eindrücke gewinnen
kann. Und schließlich gehe ich nicht mehr ins Museo Manuel Felguérez, dessen
Besuch bestimmt sehr lohnenswert ist, sondern lasse mir erzählen, wie das
Konvent vor der remodelación (Umbau) ausgesehen hat, ohne Dach... Genauso
wie zwei Wochen später in Oaxaca im Santo Domingo: In einem der letzten Räume
des Rundgangs, wo mir kurz vor Schluss ein Museumsmitarbeiter die Modelle
des Gebäudes erklärt, die Dachkonstruktion, die Renovierungsarbeiten, wie
es früher war, wie es heute ist...
Die Huicholes.
"Woher kommst du?" "Wohin gehst du?" fragen sie, wenn sie sich unterwegs begegnen,
und sagen "ich komme von dort und gehe nach dort". Vielleicht sagen sie auch
zuerst, woher sie kommen. Ich erinnere mich nicht mehr. Manolo, ein orts-
und menschenkundiger Mexikaner hat es mir so erklärt, mit dem ich nach einer
Reihe von Zufällen, zweieinhalb Tage zu den Huicholes in die Sierra Madre
Occidental gefahren bin, um dort die fiesta del tambor y maíz mitzuerleben.
Farben ausgeblichen von der Sonne, das helle Grün, die einfachen Adobehäuser,
die Blumenfelder, andere Gerüche, völlige tranquilidad (Ruhe) und calor (Hitze),
nur 700 und einige Meter über dem Meer. Dafür die Hinfahrt nicht einfach,
gewaltige Höhenunterschiede, oft wechselnde Vegetation, endlos in diversen
camionetas (pick-ups) und Bus über kurvige, unbefestigte Wege.
Es ist eines der Haupt-Feste der Huicholes, die sich ihre ursprüngliche Glaubenswelt
mit ihren imaginaciones mágicas bewahrt haben. Die ofrendas liegen im Adobehäuschen
mit dem strohgedeckten, spitzen Dach, dem templo. Eine Mischung aus Naturalien,
Blumen und Heiligenbildern.
Und der halluzinogene Peyote-Kaktus, den sie auf der jährlichen peregrinación
(Wallfahrt) in der Region um Real de Catorce ernten. Beeindruckend mit welcher
Ausdauer der Schamane, der als einziger mit den Göttern kommunizieren kann,
singt und mit seinen Helfern den tambor (Trommel) schlägt, Tag und Nacht.
Das Tanzen ist einfach, im Kreis um das Feuer, und in einem äußeren Kreis
schlafen die, die später die noch wachen ablösen. Fröhliche Menschen (ganz
anders als ich es später in Chiapas erlebe) in ihren trajes (Trachten), bordiert
am unteren Rand mit Tieren, Blumen, rombos, líneas onduladas...
Ich fühle mich wie ein Eindringling, der ich wohl auch bin und bin beeindruckt
von der gerade fertig studierten Psychologin aus Guadalajara und der scheinbaren
Leichtigkeit in ihrem Umgang mit den Huicholes, von deren Leben sie völlig
fasziniert ist und an dem sie für mehrere Wochen immer wieder teilnimmt. Sie
respektiert. Sie arbeitet für die Uni und filmt (mit Erlaubnis). Und sie scheint
respektiert und integriert...
Der Mann in der tienda (Laden)
in der Seitenstraße meines Hauses (meiner Gastfamilie) in Guadalajara, der
mich fragt, als ich wiederkomme, ob ich immer noch da sei - und wie glücklich
ich über diese Frage bin, zeigt sie mir doch, dass ich ein Stück zu Hause
gefunden habe und die soziale Kontrolle trotz Fünf-Millionen-Stadt funktioniert...
Der operador del camion (Busfahrer, aber auch Reparateur usw. - "Busmann"
könnte man ihn nennen),
der fragt, ob ich verärgert sei, als ich einsteige. Nein.
Mein favorisierter Platz no. 4, ventana, a la derecha, adelante. Potenzielle
Blickmöglichkeit auf die Straße, wenn nicht der Vorhang geschlossen ist. Noch
zwei Minuten Unterhaltung, aber wenn ich Lust hätte, könne ich nachher nach
vorne kommen, um zu plaudern und nicht einzuschlafen. Zwei Hände voll Leute
im Bus, höchstens. Die Busse der ersten Klasse sind gut, die Luxus-Busse kann
man sich sparen. WC, genug Fußraum, Klimaanlage, die zu Erfrierungen führen
kann ohne Pullover oder Decke, getönte Scheiben, Gepäck im Bauch des Busses,
zweiter Busfahrer bei langen Strecken. Abordar (an Bord gehen) und alles funktioniert
reibungslos. Die Busfahrer haben eine Liste mit der Anzahl der Fahrgäste und
merken, wenn noch jemand fehlt. Kurze Zeit später auf der Strecke werden sie
manchmal noch vom Unternehmen kontrolliert, ob kein blinder Passagier an Bord
ist. Auf jeden Fall denke ich mir, dass es besser ist en vivo (live) Spanisch
zu lernen und aus dem echten Leben, statt schnulzigen Liebesfilmen zu lauschen,
die geboten werden zum Zeitvertreib. Und so folgen zwei Stunden auf einer
unbequemen Stufe, aber mit netter, informativer Unterhaltung mit dem Busfahrer...
Der Architekturstudent
in Oaxaca, der neben mir steht als ich ein Ausstellungs-Plakat betrachte,
kurz bevor wir abreisen, der mir eine Stadtführung anbietet. - Zwanzig Minuten
habe ich noch, intensive zwanzig Minuten zur Architektur in Oaxaca, nur das
wichtigste, dass die mächtige Kathedrale so gedrungen ist wegen der Erdbebengefahr
und auch deshalb die Häuser maximal siebenstöckig in dieser Gegend sind...
Die alte Frau
auf dem Kunststoff-Schalensitz neben mir, im Busbahnhof der zweiten Klasse,
die fragt, wohin wir fahren. Wir warten in Oaxaca auf die Abfahrt des Busses
nach Tuxtla Guitérrez. Abends. Um uns herum zahlreiche Menschen mit ihren
Kartons. Ich antworte zu schnell, zu viel auf einmal. So reden auch ihre Söhne
sagt sie, die in den Estados Unidos leben, antworten, ohne dass sie ausgeredet
hätte, und sie kann sie oft nicht verstehen...
Die Bankangestellte,
die sich freut und so schön lächelt, als sie merkt, dass ich ein paar Worte
Spanisch kann, um neben dem Geldgeschäft zu sagen, wie gut es mir in Mexiko
gefällt. In San Cristóbal, umgeben von Hügeln, mit seinen ziegelgedeckten
Satteldächern. Die Märkte am Ende der Insurgentes sind voll, und immer wieder
hinter uns Kinder oder Frauen, die pulseras (Armbändchen) oder andere artesanias
verkaufen. Armut ständig präsent, und viel offensichtlicher wegen des Kontrasts
der Indígenas-Kultur mit dem übrigen, vor allem Touristen. Fast fehlen die
Mestizen. Es liegt irgendetwas über der Stadt, wie der Nebel am Morgen. Das
Museum ist wegen remodelación geschlossen, die (kolonialen) Gebäude wirken
vernachlässigt. Die Menschen sind fast paralysiert, kaum Lachen. Regen und
Kälte. Wir haben eine gute Unterkunft, wollen aber lieber weiter nach Ocosingo
und nicht noch einmal in ein Indígena-Dorf. Um uns nicht wieder als Eindringlinge
zu fühlen, wie in der Kirche von San Juan Chamula, und die Einheimischen bei
ihrer Glaubenszeremonie zu stören...
Und so folgen einige dieser Zweite-Klasse-Bus-Fahrten, die ich wirklich
genieße, die zwar tags sehr lange dauern, weil scheinbar jeder aus- und einsteigen
darf, wo er mag - oder es vielleicht auch unendlich viele definierte Haltepunkte
gibt -, die aber eben deshalb auch nicht über die autopista führen, sondern
durch die Dörfer, die primär nicht von geschäftigen Personen und Touristen
genutzt werden, sondern eine Verbindung für die Einheimischen zu den Märkten
sind. Und so bin ich mir sicher, dass wir mit mindestens acht Säcken frijoles
(Bohnen) - geschätzte 25 Kilo pro Sack -, gut 30 Menschen und diverser anderer
Ladung ein bisschen überladen sind. Der Bus brettert und ächzt bei jeder Unebenheit.
Ich freue mich, dass es noch hell ist. Genieße die wunderbare Aussicht durch
eines der wenigen Fenster, dass keinen Riss hat und nicht geflickt ist, nur
ein bisschen getönt, wie meistens. Die drei Mexikaner mit ihren Zuckerwattebäumen
in rosa und türkis, die nur noch unbequem im Gang (Steh-)Platz gefunden hatten,
verlassen den Bus. Mexikanische Musik begleitet unsere letzten paar Stunden
Chiapas und sein tiefes Grün. Ein Stück Zeit für pensamientos (Gedanken),
wie immer in den camiones. Reflexionen der letzten Tage... Ich sitze genau
hinter den Hinterrädern und jeder topes (Straßenschwellen zur Geschwindigkeitssenkung)
oder vibrador (Querrillen im Asphalt) ist ein Schlag für den Kopf. Marta,
mit der ich zusammen reise, schläft im Sitz vor mir. Sie verbrachte die letzte
Nacht in der hamaca (Hängematte)... Momente des Glücks, diese Busfahrten.
Ihre Mikroklimata. Ihr Kommunikationsreichtum. So voll - der Bus hält ständig
-, dass schon wieder Menschen stehen. Ausdauernd, lachend, permanent kommunizierend,
eingequetscht zwischen anderen Körpern, Gepäck und den Sitzen. Diese feucht
oder kaputt, nicht mehr in die Senkrechte stellbar. Oder einfach voll funktionsfähig...
Villahermosa 16 h. Es waren elf Säcke frijoles...
Und dann das von der Seeverbindung geprägte, fröhliche Veracruz, das ein bisschen
herausgeputzte Puebla und das unendliche Distrito...
Luis und Luis,
die ich in Teotihuacán oben auf dem Sonnentempel kennen lerne, zwei Studenten,
die mit einem Teil ihrer Familien hier sind, die ein Foto mit mir möchten
und die mir dann eine halbe Stunde lang mexikanische Umgangssprachen-Vokabeln
diktieren und dabei sichtlich Spaß haben. Ich schreibe eine Seite meines Reiseführers
voll... Bis wir die Stufen herunterstürmen und uns trennen, weil ihre Familien
winkend auf sie warten.
Kaum unten, wieder ein Souvenir-Verkäufer, der seine blanken, schwarzen Obsidian-Figuren
in Stoff gewickelt aus seiner Umhängetasche zieht. "Zu schwer zum mitnehmen",
sage ich. Er hätte auch kleine, für meinen Freund, als Andenken... - das übliche...
- ein paar aufdringliche Minuten, winden in Höflichkeitsworten.
Nein, ich sage klar, dass ich nichts kaufen möchte.
Ich präferiere die immateriellen Souvenirs. - Und es entsteht plötzlich ein
interessantes, informatives Gespräch. Über die umliegenden Dörfer, seine Familie,
mein Leben zu Hause, die Reise, die Architektur direkt vor uns...
Und so trage ich am Ende nicht sein Obsidian-Figürchen als Souvenir nach Hause,
sondern diese Konversation - zweifellos die bessere Variante. Und ich hoffe
nur, auch ihn hat diese Unterhaltung kulturell bereichert.
Ich habe bei solchen Begegnungen vieles über das Land und die Menschen
erfahren und könnte die Kette verlängern... Der Schuhputzer auf dem Zócalo
in Veracruz und die beiden nervenden Mexikaner, die uns eine Rose schenken.
- Der Bauarbeiter in Teotihuacán, der ein Lied für mich anstimmt, als ich
vorbeigehe. - Die drei vom Militär, die mit uns die Kultstätte in Toniná erklimmen
und mit denen wir die besten huaraches (wie quesadillas, zusammengeklappte
Tortillas mit Käse und anderem) essen. Rodolfo, der mir die trabalenguas (Zungenbrecher)
beibringt. - Die drei periodistas (Journalisten), mit denen wir die Nacht
des 1. Novembers (día de los muertos) auf Friedhöfen verbringen und all die
anderen unterwegs, die immer fragen "woher?" und "wohin?"...
Und das schöne ist, dass man diese Erfahrungen so einfach mit nach Hause nehmen
kann und dass sie bleiben, wenn man ihnen ab und zu gedanklichen Raum lässt.
Es sind primär die Menschen und die alltäglichen Details, die den Charakter
des Landes ausmachen, nicht die Sehenswürdigkeiten - meist aus einer anderen
Zeit -, an die man sich zudem leicht erinnert, wenn man Fotos betrachtet oder
den Reiseführer aufschlägt. Und im Reiseführer findet man auch die fehlende,
nicht besuchte Stadt oder Kultstätte, weil man sich unterwegs spontan entschieden
hat, intensiver an anderer Stelle zu bleiben... und so gehören Spontaneität
und Geduld zu den wichtigen Voraussetzungen. Daneben ein gesundes Misstrauen,
kein übersteigertes, mit dem aber wahrscheinlich so mancher in Mexiko ankommt,
aufgrund von Warnungen und Ängsten seitens der Hiergebliebenen. Abwägen. Abgewöhnen,
sich zu ärgern. Trotzdem erkennen, wenn man übers Ohr gehauen wird, und seine
Konsequenzen ziehen, mit Freundlichkeit. Ist doch keine schlechte Idee, mir
beim Kauf der "La Jornada" 10 statt wie aufgedruckt 9 Pesos, abzunehmen, mit
der Begründung auf mein Nachfragen, dass mit dem einen Peso der Transport
der Zeitung von Mexiko-Stadt nach Guadalajara mitfinanziert wird. Ein Lächeln.
Und beim nächsten Mal zahle ich eben passend...